Symbolbild Forschung

Unethische medizinische Studien haben nach Jahrzehnten Konsequenzen

 

Die Universität Pittsburg benennt das Gebäude ihrer Medizinischen Fakultät um

Die Universität von Pittsburg hat kürzlich die Entscheidung getroffen, das Gebäude ihrer Medizinischen Fakultät umzubenennen und den Namen des Arztes Thomas Parran Jr, MD, der bislang Namensgeber des Gebäudes war, von der Fassade zu entfernen. Hintergrund sind seine Aktivitäten im Rahmen der Tuskegee Syphilis Studie und einer weiteren Studie zu Geschlechtskrankheiten. Die Studierenden der Medizinischen Fakultät hatten die Universität im Rahmen einer Petition zur Namensänderung aufgefordert.

 

Dunkle Kapitel in der Medizingeschichte

Die Geschichte der Medizin und ihrer Fortschritte hat an einigen Stellen sehr dunkle Kapitel. In Deutschland denkt man bei diesen dunklen Kapiteln v.a. an die verbrecherischen Humanexperimente in Konzentrationslagern, wie beispielsweise die Fleckfieberversuche in Buchenwald, die Sulfonamid-Versuche in Ravensbrück, die Höhendruck- und Unterwasserversuche in Dachau und die Sterilisationsversuche in Auschwitz.

In den USA wird derzeit ebenfalls ein dunkles Kapitel aufgearbeitet, welches für uns Fachärzte für Haut- und Geschlechtskrankheiten von besonderer Bedeutung ist: Die Tuskegee Syphilis Studie sowie eine Studie in Guatemala.

 

Die Tuskegee Syphilis Studie

Die Tuskegee-Syphilis-Studie wurde von 1932 bis 1972 im US-Bundesstaat Alabama, in der Gegend von Tuskegee, vom United States Public Health Service, einer Behörde des us-amerikanischen Gesundheitsministeriums durchgeführt. Im Rahmen dieser Studie wurden die Folgen unbehandelter Syphilis-Infektionen, einer häufig chronisch verlaufenden Geschlechtskrankheit, beim Menschen untersucht. 399 mit Syphilis infizierte afroamerikanische Landpächter wurden im Rahmen der Studie untersucht. 200 weitere Personen, die als nicht-Syphilis-infiziert galten, wurden als Kontrollgruppe in die Studien einbezogen. Die Versuchspersonen waren zum großen Teil arm und konnten weder lesen noch schreiben.

Der Zweck der menschenverachtenden Studie war, den natürlichen Verlauf der Syphilis-Erkrankung zu beobachten. Die Studie wurde weder abgebrochen, als wirksame Syphilis-Medikamente erhältlich waren, noch hatten die Versuchsteilnehmer eine Gelegenheit zu einer informierten Einwilligung. Sie wurden auch nicht über die Diagnose Syphilis unterrichtet. Man sagte ihnen stattdessen, dass sie „schlechtes Blut“ (engl. bad blood) hätten und dass sie eine kostenlose Behandlung erhalten würden. Ebenso würden sie kostenlose Fahrten zur Klinik, eine warme Mahlzeit täglich und im Todesfall 50 Dollar für die Beerdigung erhalten.

Einem Arzt, der zufällig von der Studie erfuhr und sich 1965 an die Behörden wandte, um den Abbruch der Studie zu erreichen wurde versichert, dass das Projekt bis zum Tod des letzten Patienten fortgesetzt würde. Noch Jahre später wurde ihm von der Seuchenschutzbehörde mitgeteilt, dass man keine moralischen Bedenken habe.

Bislang war man davon ausgegangen, dass Thomas Parran Jr von der Studie wusste und nichts dagegen unternommen hatte. Eine aktuelle wissenschaftliche Aufarbeitung stellte dann im July 2017 fest, dass er die Studie auf seiner Initiative beruhte. „Neue Dokumente legen offen, dass Parran glaubte, dass die afroamerikanische Bevölkerung des Macon County (Alabama) perfekt geeignet sei für eine Studie, bei der die Patienten nicht behandelt würden. So schrieb er im Jahr 1932 „If one wished to study the natural history of syphilis in the Negro race uninfluenced by treatment, this county would be an ideal location for such a study“. Selbst als 1940 die Behandlung und Heilung von Syphilis möglich wurde wollte Parran die Studie nicht beenden und die unfreiwilligen Studienteilnehmer ohne Behandlung lassen. Die unbehandelten Patienten übertrugen die hochansteckende Erkrankung, die  durch vielfältigen Haut- und Organbefall gekennzeichnet ist und im Endstadium zur Zerstörung des zentralen Nervensystems führt, an Ihre Partnerinnen und gaben sie an ihre Kinder weiter.

 

Absichtliche Infektion von Menschen in Guatemala

Thomas Parran Jr war, in seinem Amt als Surgeon General auch für eine ähnliche Studie zwischen 1946 und 1948 in Guatemala verantwortlich. Im Rahmen dieser Studie wurden 1.300 Guatemalteken (u.a. Gefängnisinsassen sowie Patienten psychiatrischer Anstalten) sogar bewusst und ohne ihre Kenntnis oder ihr Einverständnis mit Syphilis, Gonorrhoe und Ulcus molle angesteckt.

 

In Deutschland müssen Ethikkommissionen medizinische Studien genehmigen

Kann so etwas in Deutschland passieren? In Deutschland muss für die Durchführung einer klinischen Studie gemäß Bundes- und Landesrecht vor deren Beginn ein positives Votum einer Ethikkommission eingeholt werden. Abhängig davon, in welchem Bundesland eine geplante Studie gemeldet wird, ist dann die jeweilige Ethikkommission für die Beurteilung zuständig.

Der Gesetzgeber und die ärztliche Berufsordnung legen die Aufgaben der Ethikkommissionen fest, die schon viele Jahre an den medizinischen Fakultäten der Universitäten und bei den Landesärztekammern fest etabliert sind. Die Ethikkommissionen sind mit Medizinern, Theologen, Juristen und Geisteswissenschaftlern (teilweise auch mit Pflegenden) besetzt, wobei die Mediziner jeweils eine Mehrheit bilden. Medizinische Forschungsvorhaben am Menschen können nicht ohne das vorherige positive Votum einer Ethikkommission in Deutschland durchgeführt werden.